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Düsseldorfer Tabelle und Unterhalt

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VII. Zivilsenat 23.02.2005 XII ZR 114/03


BGB § 1603 Abs. 2; ZPO § 323 Abs. 2; InsO §§ 286 ff., 304 ff.

Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt seiner minderjährigen Kinder dadurch sicherzustellen, daß ihm Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Das gilt nur dann nicht, wenn der Unterhaltsschuldner Umstände vorträgt und ggf. beweist, die eine solche Obliegenheit im Einzelfall als unzumutbar darstellen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten um Abänderung der Unterhaltspflicht des Beklagten für seinen minderjährigen Sohn.

Der am 23. Mai 1990 geborene Kläger und sein am 3. Januar 1987 geborener Bruder sind Kinder des Beklagten aus seiner geschiedenen Ehe. Nach der Ehescheidung verkauften die Eltern des Klägers ihr im Miteigentum stehendes Hausgrundstück. Weil der Kaufpreis nicht ausreichte, um das zur Finanzierung aufgenommene Darlehen vollständig zu tilgen, übernahm jeder geschiedene Ehegatte die Hälfte des restlichen Darlehens von rund 50.000 DM. Der Beklagte zahlt auf seinen Anteil monatliche Raten in Höhe von 375 DM und wird das Darlehen voraussichtlich gegen Ende 2006 getilgt haben.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Bad Saulgau vom 8. August 2001 wurde der Beklagte verurteilt, ab Juli 2001 monatlichen Kindesunterhalt an den Kläger in Höhe von 244,20 DM und an dessen Bruder in Höhe von 288,80 DM zu zahlen. Dabei ging das Amtsgericht von einem bereinigten Einkommen des allein barunterhaltspflichtigen Beklagten in Höhe von 2.548 DM aus und setzte davon die Kreditraten in Höhe von 375 DM sowie einen notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 1.640 DM ab. Wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten errechnete das Amtsgericht auf der Grundlage des Unterhaltsbedarfs des Klägers und seines älteren Bruders die ausgeurteilten Unterhaltsansprüche im Wege einer Mangelfallverteilung. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz lehnte das Gericht seinerzeit ab.

Nach Vollendung des 12. Lebensjahres begehrt der Kläger nunmehr eine Erhöhung des Unterhalts auf den Regelbetrag der dritten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle. Das Amtsgericht hat den Beklagten in Abänderung des früheren Urteils verurteilt, an den Kläger für die Zeit ab Januar 2003 monatlichen Unterhalt in Höhe von 222,50 € zu zahlen. Dabei ist es von einem unterhaltsrelevanten Einkommen in Höhe von 1.285 € ausgegangen, von dem es einen notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 840 € abgesetzt hat. Die vom Beklagten gezahlten Kreditraten in Höhe von 191,73 € (= 375 DM) hat es hingegen nicht mehr abgesetzt. Das verteilungsfähige Einkommen in Höhe von 445 € hat es hälftig auf den Kläger und seinen bis Januar 2005 ebenfalls noch minderjährigen Bruder aufgeteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die -vom Oberlandesgericht zugelassene -Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1216 veröffentlicht ist, hat die Revision wegen der Rechtsfrage zugelassen, unter welchen Voraussetzungen bei verschärfter Unterhaltspflicht eine Obliegenheit des mit Drittschulden belasteten Unterhaltspflichtigen besteht, zur Verbesserung
seiner Leistungsfähigkeit ein Insolvenzverfahren anzustrengen.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, für die Bemessung des laufenden Unterhalts seien die Darlehensraten des Beklagten nicht zu berücksichtigen, weil er verpflichtet sei, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Denn der Beklagte schulde Kindesunterhalt für den minderjährigen Kläger und damit alle zumutbaren Anstrengungen zur Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit. Dem Beklagten drohe die Zahlungsunfähigkeit, weil er selbst die rechtskräftig titulierte Unterhaltspflicht nicht vollständig erfüllt habe, deswegen die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und wegen deren wahrheitswidriger Abgabe sogar strafrechtlich habe belangt werden müssen. Hindernisse für eine künftige Restschuldbefreiung seien nicht ersichtlich. Die zu erwartenden Kosten des Insolvenzverfahrens stünden dieser Verpflichtung des Beklagten nicht entgegen, weil sie nach § 4 a InsO bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden könnten und auch später nur nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit
im Rahmen der Prozeßkostenhilfe zurückgefordert würden. Die "Wohlverhaltensphase" gemäß § 287 InsO dauere nur wenig länger als die Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber dem minderjährigen Kläger. Nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens sei der Beklagte zwar für längere Zeit in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit gebunden, ihm werde allerdings die Tilgung des Darlehens im Umfang von rund 6.000 € erspart, was ihn in die Lage versetze, der laufenden Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern in deutlich erweitertem Umfang nachzukommen. Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens sei dem Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Kreditwürdigkeit und des Sozialprestiges zumutbar, weil er bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und die Insolvenz daneben nicht mehr ins Gewicht falle. Zwar verliere ein Unterhaltsgläubiger mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für rückständige Unterhaltsforderungen das Pfändungsprivileg des § 850 d ZPO. Auch dieses stehe der Verpflichtung zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht entgegen, wenn davon alle Unterhaltsgläubiger in gleichem Maße betroffen seien und sie die Durchführung des Insolvenzverfahrens von dem Unterhaltsschuldner verlangten.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

II.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Abänderungsklage ausgegangen, weil der Kläger sein Abänderungsverlangen auf die allgemeine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle und auch auf das Erreichen deren dritter Altersstufe mit Vollendung des 12. Lebensjahres stützt.
a) Schon die Erhöhung des Unterhaltsbedarfs durch Wechsel in eine andere Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle kann eine Abänderung im Sinne des § 323 Abs. 2 ZPO rechtfertigen (vgl. Wendl/Thalmann Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 8 Rdn. 159, 160 a; Göppinger/Wax/ Vogel Unterhaltsrecht 8. Auflage Rdn. 2406). Gleiches gilt für die Neufestsetzung der Unterhaltsbeträge nach der Düsseldorfer Tabelle, die der zweijährigen Änderung der Regelbeträge gemäß § 1612 a Abs. 4 BGB in Verbindung mit
§§ 1 und 2 der Regelbetrag-Verordnung folgen. Zwar bilden Unterhaltsrichtlinien als richterliche Entscheidungshilfen selbst keine tatsächlichen Umstände, so daß eine Neufestsetzung der in diesen Tabellen festgelegten Bedarfssätze für sich allein genommen noch keine Abänderungsklage nach § 323 ZPO rechtfertigen kann. Die Änderung der Regelbeträge und damit der Werte der Düsseldorfer Tabelle trägt allerdings dem Umstand Rechnung, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf seiten des Bedürftigen als auch auf seiten des
Verpflichteten infolge Änderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung dieser Sätze gewandelt haben, und ist damit zugleich Ausdruck der Veränderung dieser tatsächlichen Verhältnisse. In dem Vorbringen einer Partei, die ihr Abänderungsverlangen auf eine
Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle stützt, ist daher regelmäßig auch die Behauptung zu sehen, daß sich die Einkommen und/oder die Lebenshaltungskosten seit der vorausgegangenen Fassung dieser Tabelle allgemein in einem Maße verändert hätten, wie dies der Änderung der Bedarfssätze entspreche (Senatsurteil vom 23. November 1994 -XII ZR 168/93 -FamRZ 1995, 221, 222).

b) Der Kläger ist im Abänderungsverfahren auch nicht mit seinem Verlangen nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten präkludiert. Zwar hat das Amtsgericht die Darlehensverpflichtung des Beklagten in dem abzuändernden Urteil noch berücksichtigt und ihn nicht auf
die Durchführung eines Insolvenzverfahrens verwiesen. Insoweit stützt sich die Entscheidung aber nicht auf früher vorhandene Tatsachen, deren Berücksichtigung § 323 Abs. 2 ZPO entgegen stünde, sondern auf eine geänderte Rechtsauffassung, die nach der Rechtsprechung des Senats auch im Abänderungsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Februar 2003 -XII ZR 29/00 -FamRZ 2003, 848, 851 f.).

III.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält auch im übrigen den Angriffen der Revision stand.

1. Der Beklagte ist wegen seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kläger (§ 1603 Abs. 2 BGB) gehalten, alle zumutbaren Möglichkeiten auszunutzen, um dessen Unterhaltsbedarf sicherzustellen.
Dazu zählt grundsätzlich auch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, um den laufenden unterhaltsverpflichtungen Vorrang vor den Darlehensverbindlichkeiten zu verschaffen.
a) Zwar schränkt schon eine gerichtlich angeordnete Unterhaltsleistung den Unterhaltspflichtigen in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Dieses ist im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, nur insoweit zulässig, als es mit Art. 6
Abs. 1 GG im Einklang steht. Der ausgeurteilte Unterhalt darf deswegen nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen. Wird bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs hingegen die Grenze des Zumutbaren überschritten, ist die damit verbundene Beschränkung der finanziellen Dispositionsfreiheit des Verpflichteten nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (BVerfGE 57, 361, 381; BVerfG FamRZ 2001, 1685). Eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist die Vorschrift des § 1603 Abs. 1 BGB, nach der nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts anderen Personen Unterhalt zu gewähren. Dieser Grundsatz ist allerdings insoweit eingeschränkt, als Eltern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten (und denen gleichgestellten) Kindern gegenüber verpflichtet sind, alle verfügbaren Mittel zu
ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Grundvoraussetzung auch dieses Unterhaltsanspruchs bleibt allerdings die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Die Gerichte haben deswegen im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen oder ob dieser -unbeschadet der Zulässigkeit der Zurechnung fiktiven Einkommens -die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen übersteigt (BVerfG FamRZ 2001, 1685).

Auf dieser Grundlage hat der Senat bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB in ständiger Rechtsprechung stärkere Anstrengungen des Unterhaltsschuldners für zumutbar gehalten (Senatsurteile vom 18. Oktober 2000 -XII ZR 191/98 -FamRZ 2001, 1065 zu Überstunden und Nebenerwerb, vom 17. März 1999 -XII ZR 139/97 -FamRZ 1999, 843, 844 zur Umschulung zu einem besser dotierten Beruf, vom 15. Dezember 1993 -XII ZR 172/92 -FamRZ 1994, 372, 374 zur Arbeitsplatzsuche und zum Rechtsbehelf gegen eine offensichtlich unbegründete Kündigung und vom 9. Juli 1980 -IVb ZR 529/80 -FamRZ 1980, 1113, 1114 zur Zumutbarkeit eines Orts-und Berufswechsels).
b) Allerdings hat es der Senat bislang stets abgelehnt, den Ansprüchen Unterhaltsberechtigter einen allgemeinen Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen einzuräumen (Senatsurteil vom 9. Mai 1984 -IVb ZR 74/82 -FamRZ 1984, 657, 658 f.). Auch aus verfassungsrechtlichen
Gründen wäre es dem Unterhaltsschuldner nicht zumutbar, durch seine Unterhaltszahlungen immer tiefer in Schulden zu geraten (BVerfG FamRZ 2001, 1685, 1686; 2002, 1397, 1399; vgl. auch BGH Senatsurteil vom 7. Dezember 1988 -IVb ZR 15/88 -FamRZ 1989, 272 f.). Nachdem der Gesetzgeber mit den §§ 304 ff. InsO die Möglichkeit einer Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung geschaffen hat, kann an dieser Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden. Denn nun ist es dem Unterhaltsschuldner möglich, den ohne Berücksichtigung von Drittschulden bemessenen laufenden Unterhalt zu zahlen und nach Ablauf von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befreiung von seinen Schulden zu erlangen (§§ 286 ff. InsO). Aus den Vorschriften über die Insolvenzmasse (§§ 35 ff., 40 InsO) und dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 und 2 InsO folgt nämlich, daß dem Schuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens der nach § 850 c ZPO
pfändungsfreie Teil seines Einkommens verbleibt (vgl. Wendl/Gutdeutsch aaO § 5 Rdn. 122 a ff.; Luthin/Margraf Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 1327 ff.; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 113 b ff., 113 d; Weisbrodt FamRZ 2003, 1240, 1241; Melchers FamRZ 2001, 1509; OLG Celle FamRZ 2003, 1116; kritisch Wohlgemuth FF 2004, 9, 12). Unterhaltsrückstände können ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens hingegen nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden und erlöschen im Falle einer späteren Restschuldbefreiung (§ 287 InsO; vgl. auch OLG Naumburg ZInsO 2003, 1002 und OLG Koblenz
FamRZ 2002, 31). Auf dieser gesetzlichen Grundlage ist es dem Unterhaltsschuldner jetzt zumutbar, den Unterhaltsansprüchen seiner minderjährigen Kinder Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten einzuräumen. Ob es ihm in Anbetracht der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB obliegt, Verbraucherinsolvenz zu beantragen, kann sich nur aus einer umfassenden Würdigung aller vom Unterhaltsschuldner darzulegenden Umstände, zu denen auch die eigenen und die Interessen der Unterhaltsgläubiger zählen, ergeben.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht zunächst die Voraussetzungen für eine Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiungsmöglichkeit bejaht. Nach §§ 16 ff. InsO setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Eröffnungsgrund voraus, der in einer Zahlungsunfähigkeit, einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung liegen kann. Im Falle einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit muß der allein antragsberechtigte Schuldner (§ 18 Abs. 1
InsO) eine längerfristige Liquiditätslücke belegen und dazu einerseits seine Verbindlichkeiten und andererseits sein Vermögen und seine Einkünfte in den nächsten ein bis zwei Jahren darlegen (vgl. Kirchhof in HK 3. Aufl. § 18 InsO
Rdn. 8 f.). Hier ist nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hingegen nicht nur eine drohende, sondern bereits eine endgültige Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO eingetreten. Der Beklagte schuldet dem Kläger und dessen Bruder nach dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht -Bad Saulgau vom 8. August
2001 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 272,52 € (= 533 DM). Davon konnten in der Vergangenheit lediglich 116 € monatlich gepfändet werden (§§ 850 a ff., 850 d ZPO). Wegen der noch ausstehenden Unterhaltsschulden
hat der Beklagte inzwischen die eidesstattliche Versicherung abgegeben (§§ 899 ff. ZPO). Er ist somit nicht in der Lage, seine fälligen Unterhaltspflichten zu erfüllen, was für eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1
InsO ausreicht (vgl. Melchers/Hauß Unterhalt und Verbraucherinsolvenz Rdn. 130; a.A. noch OLG Stuttgart FamRZ 2002, 982, das seine gegenteilige Rechtsprechung in dem Berufungsurteil aber ausdrücklich aufgegeben hat).
Nach dem Vortrag der Parteien sind gegenwärtig auch keine durchgreifenden Gründe gegen eine spätere Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO ersichtlich. Über eine Versagung der Restschuldbefreiung wird
letztlich erst nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren entschieden (vgl. Pape ZInsO 2004, 647, 649 f.). Für die Stundung der Verfahrenskosten verlangt § 4 a InsO deswegen zunächst nur eine summarische Prüfung, ob Versagungsgründe der beantragten Restschuldbefreiung entgegenstehen (BGH Beschluß vom 16. Dezember 2004 -IX ZB 72/03 -zur Veröffentlichung vorgesehen). Nichts anderes kann für die Obliegenheit zur Durchführung der Verbraucherinsolvenz gelten. Solche durchgreifenden Gründe, die gegen eine Restschuldbefreiung sprechen könnten, ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht.
3. Erscheint danach ein Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig und geeignet, den Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder ihnen gleichgestellter Kinder nach § 1603 Abs. 2 BGB Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners einzuräumen, trifft den Unterhaltsschuldner eine Obliegenheit zur Einleitung dieses Verfahrens, wenn er nicht Umstände vorträgt, die eine Antragspflicht im konkreten Einzelfall als unzumutbar darstellen (so auch OLG Hamm FamRZ 2001, 441; OLG Dresden FamRZ 2003, 1028; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 656; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2003, 1215; OLG Düsseldorf OLGR 2003, 30). Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
a) Durch die Einleitung des Insolvenzverfahrens wird der Beklagte als Unterhaltsschuldner zwar mit weiteren Kosten belastet. Nachdem der Bundesgerichtshof die Beschränkung auf die regelmäßige Mindestvergütung in masselosen Insolvenzverfahren für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. Beschlüsse vom 15. Januar 2004 -IX ZB 96/03 -NJW 2004, 941 = BGHZ 157, 282 und -IX ZB 46/03 -NJW-RR 2004, 551), ist insoweit mit Kosten zu rechnen, die sich auf
ca. 3.000 € belaufen können (zur Vergütung des Insolvenzverwalters vgl. auch BGH Beschlüsse vom 9. Juli 2004 -IX ZB 589/02 -WM 2004, 1783, vom 23. Juli 2004 -IX ZB 257/03 -WM 2004, 1842 und vom 16. Dezember 2004
-IX ZB 301/03 -WM 2005, 243 f.). Wegen dieser zusätzlichen Kosten kann dem Schuldner trotz seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auch keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, weil § 4 a InsO eine Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens vorsieht. Allerdings ist der Schuldner nach Abschluß des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nur im Rahmen des § 115 Abs. 1 und 2 ZPO zur Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet (§ 4 b InsO). Die durch das Verbraucherinsolvenzverfahren entstehenden
Kosten belasten den Unterhaltsschuldner deswegen nicht unangemessen und sind für sich allein genommen noch nicht geeignet, das Verfahren für den Unterhaltsschuldner als unzumutbar darzustellen.
b) Durch die Bestellung eines Treuhänders im Insolvenzverfahren gemäß §§ 313 Abs. 1, 292 InsO wird der Unterhaltsschuldner in seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit nicht unerheblich eingeschränkt (vgl. Melchers/Hauß aaO
Rdn. 131 ff.). Wie gegenüber einem Insolvenzverwalter bestehen nach §§ 97 f. InsO auch gegenüber dem Treuhänder weitgehende Auskunfts-und Mitwirkungspflichten (vgl. auch § 305 Abs. 1 und 2 InsO). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht insbesondere das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter bzw. den Treuhänder über (§§ 21 Abs. 2, 80 bis 82, 313
Abs. 1 InsO). Die begehrte Restschuldbefreiung setzt nach § 287 Abs. 2 InsO voraus, daß der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens an den Treuhänder
abtritt. Diese besonderen Bindungen des Schuldners schränken ihn während der sechsjährigen Wohlverhaltensperiode gemäß §§ 287 Abs. 2, 292 Abs. 1 InsO (vgl. Art. 107 EGInsO) und zusätzlich während des ca. sechsmonatigen vorbereitenden Verfahrens durch die Beratungsstelle (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)
ein. Gleichwohl überwiegen die Belastungen, die ein Insolvenzverfahren zwangsläufig für den Unterhaltsschuldner mit sich bringt, die Interessen seiner minderjährigen Kinder auf möglichst ungeschmälerte Unterhaltszahlungen regelmäßig nicht.

c) Betrachtet man im vorliegenden Fall die Dauer des Insolvenzverfahrens im Vergleich zu derjenigen der voraussichtlichen Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber dem noch bis Mai 2008 minderjährigen Kläger, ergibt sich
keine für ihn unzumutbar lange Bindung. Hätte der Beklagte, wie ihm von den Vorinstanzen angesonnen wurde, am 1. Januar 2003 ein Verbraucherinsolvenzverfahren zur Eröffnung gebracht, wäre dieses Ende 2008 und somit nur wenige Monate nach Erreichen der Volljährigkeit des Klägers beendet gewesen. Die gesteigerte Unterhaltspflicht des Beklagten dauert nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB sogar über die Volljährigkeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des unterhaltsbedürftigen Kindes fort, wenn es noch im Haushalt eines Elternteils lebt und sich in der allgemeinen Schulausbildung befindet. Auch im Vergleich zu der Laufzeit des vom Beklagten geschuldeten Darlehens ergibt sich hier keine unzumutbar lange Bindungsfrist für den Beklagten.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts müßte der Beklagte die geschuldeten Darlehensraten mindestens noch bis Ende 2006 zahlen, was seine Leistungsfähigkeit einschränken würde, bis der Kläger fast 17 Jahre alt und der gesteigerten Unterhaltsberechtigung alsbald entwachsen ist. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse, seinen Unterhaltsansprüchen Vorrang vor sonstigen Schulden zu verschaffen.
d) Mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens sind zwar auch erhebliche Einschnitte in die Rechte anderer Gläubiger verbunden. Insbesondere können einzelne Insolvenzgläubiger, auch die Träger öffentlicher Leistungen wegen der
auf sie übergegangenen Ansprüche, während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstrecken (§ 89 Abs. 1 InsO). Vorbehaltlich vorrangiger Rechte auf Absonderung (§§ 165 ff. InsO) sind sie auf eine quotenmäßige Befriedigung durch die Insolvenzmasse verwiesen (§§ 187 ff. InsO) und verlieren ihre Forderung im Fall der Restschuldbefreiung endgültig (§§ 286 ff. InsO). Das aber ist Folge der
vom Gesetzgeber geschaffenen Verbraucherinsolvenz, die deswegen grundsätzlich nicht zu einer Unzumutbarkeit des Verfahrens für den Schuldner führen kann. Dem Beklagten wäre es auch ohne unterhaltsrechtliche Obliegenheit möglich, sich durch einen eigenen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens der bereits aufgelaufenen Unterhaltsrückstände zu entledigen.
Allerdings zählen zu diesen Insolvenzforderungen auch die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon fälligen Unterhaltsrückstände, weil auch diese ab Eröffnung der Verbraucherinsolvenz nicht mehr im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchgesetzt werden können (vgl. Melchers/Hauß aaO Rdn. 142
ff.). Neben dem Kläger erhalten im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens also auch sein inzwischen volljähriger Bruder und seine Mutter wegen des Vollstreckungsverbots nach § 89 InsO Unterhaltsrückstände allenfalls durch eine
Verteilung im Insolvenzverfahren und auch nur insoweit, als der Unterhaltsschuldner Einkünfte erzielt, die die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit den Erhöhungsbeträgen nach Satz 2 übersteigen. Solche Einkünfte, die die Pfändungsgrenze nach § 850 c Abs. 1 ZPO von gegenwärtig 1.475 € bei einer laufenden Unterhaltspflicht gegenüber zwei Kindern (930 € + 350 € + 195 €) übersteigen, erzielt der Beklagte aber nicht. Allerdings begehrt der Kläger selbst, vertreten durch seine Mutter, die Einleitung des
Insolvenzverfahrens, um somit wenigstens seinen laufenden Unterhalt zu sichern. Umstände, die aus Sicht des ebenfalls unterhaltsberechtigten Bruders zur Unzumutbarkeit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens führen könnten,
sind vom Berufungsgericht -von der Revision unangefochten -nicht festgestellt.
e) Die stets gebotene Abwägung der unmittelbaren Vorteile einer Einleitung des Insolvenzverfahrens mit dessen Nachteilen (vgl. insoweit Weisbrodt FamRZ 2003, 1240, 1244) führt hier zu einer Obliegenheit des Beklagten zur Durchführung der Verbraucherinsolvenz. Denn gegenwärtig sind von dem erzielten Arbeitseinkommen des Beklagten nur sehr geringe monatliche Beträge pfändbar, die noch nicht einmal den ursprünglich titulierten Unterhalt des Klägers decken.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der der einem Unterhaltsschuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO nur verbleibende notwendige eigene Unterhalt dem notwendigen Lebensbedarf im Sinne der Abschnitte 2 und 4 des Bundessozialhilfegesetzes (jetzt SGB XII Kapitel 3 und 11) entspricht (BGH Beschluß vom 18. Juli 2003 -IX ZB 151/03 -FamRZ 2003, 1466 = BGHZ 156, 30; Zöller/Stöber ZPO 25. Aufl. § 850d Rdn. 7), ergibt sich mit Einleitung des Insolvenzverfahrens neben der erhöhten Unterhaltspflicht auch eine ungeschmälerte Vollstreckbarkeit. Denn Unterhaltsgläubiger können fortan wegen des Verbots
der Einzelzwangsvollstreckung für andere Gläubiger hinsichtlich ihrer laufenden Unterhaltsansprüche auf den Differenzbetrag zwischen den Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO und dem dem Schuldner zu belassenden Unterhalt i.S.
von § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO zugreifen (OLG Celle FamRZ 2003, 1116). Während der Kläger gegenwärtig monatlich nur 58 € (116 € : 2) beitreiben kann, was
für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2008 insgesamt 3.770 € ausmacht, wäre ab Einleitung des Insolvenzverfahrens jedenfalls der vom Berufungsgericht für die Zeit ab Januar 2003 zugesprochene monatliche Unterhalt in Höhe von
222,50 € beitreibbar. Die Differenz beläuft sich mithin auf 164,50 € (222,50 € 58 €) monatlich, was selbst bei einer Unterhaltspflicht von nur noch ca. drei Jahren zu einem Mehrbetrag in Höhe von 5.922 € (164,50 € x 36) führt. Insgesamt überwiegen deswegen die Vorteile für den nach § 1603 Abs. 2 BGB unterhaltsberechtigten Kläger die mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens notwendigerweise verbundenen Belastungen des Beklagten so erheblich, daß diesem wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht die Durchführung des Insolvenzverfahrens im Interesse seines minderjährigen Kindes zumutbar ist.


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